WIMT-Sondernewsletter 2022/2

 

 

Mietzinsminderung wegen Betretungsverbots in den Lockdowns 1-3 – Einzelhandel + Kaffeeausschank (OGH 29.03.2022, 4 Ob 218/21v)

 

a) Bei der Ermittlung des Restnutzens ist auf den Vertragszweck bzw auf den dem Vertrag zugrunde gelegten Geschäftszweck abzustellen und der Bestandnehmer ist für die mangelnde Brauchbarkeit beweispflichtig.

b) Die Größenverhältnisse zwischen Verkaufsräumen und Lager bzw sonstigen Räumen sind nicht der allein entscheidende Faktor zur Bemessung des Restnutzens.

 

In diesem Fall war eine Geschäftsfläche in einem der Vermieterin gehörenden Einrichtungshaus streitgegenständlich, die von der Mieterin als Filiale ihres Handels- und Gastronomieunternehmens verwendet wurde. Der Umsatz in der Filiale betrifft zu zwei Drittel Non-Food-Artikel und zu einem Drittel Kaffee. Von diesem Drittel machen zwei Drittel Röstkaffee und ein Drittel Kaffeeausschank aus. Es werden auch kleine Speisen verkauft. Der Verkaufsraum nimmt etwa zwei Drittel der gemieteten Gesamtfläche ein, auf der restlichen Fläche befinden sich das Lager, das Büro und Personalräume.

Die Filiale war während der Lockdowns 1-3 geschlossen. In diesen Zeiträumen wurden keine Umsätze erzielt. Die Mieterin betrieb allerdings auch einen Online-Verkauf und setzte diesen während der drei Lockdowns fort. Es wurden aber die Waren nicht von der hier betroffenen Filiale aus versandt. Weiters bot die Mieterin auch „Click & Collect“ an. Während der drei Lockdowns hat die Mieterin diesen Service aber aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus nicht angeboten. Die Mitarbeiter der Mieterin waren in den Lockdowns zu 5 %, zu 18 % und zu 24 % anwesend und führten unter anderem eine Inventur durch und schickten Ware zurück. Außerdem wurde die Verkaufsfläche neu gestaltet.

 

Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung hielt der OGH zunächst fest, dass die Größenverhältnisse zwischen Verkaufsräumen und Lager bzw sonstigen Räumen nicht der allein entscheidende Faktor zur Bemessung des Restnutzens sind. Wie bereits in der Vorentscheidung 8 Ob 131/21d ausführlich begründet sei vielmehr auf den Vertragszweck bzw auf den dem Vertrag zugrunde gelegten Geschäftszweck abzustellen und der Bestandnehmer für die mangelnde Brauchbarkeit beweispflichtig (8 Ob 131/21d).

 

Im konkreten Fall war der vertraglich festgelegte Geschäftszweck der Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts mit Verkauf von Kaffee und Non-Food-Artikeln samt der Verabreichung von Getränken und Speisen zum sofortigen Verzehr. Die Mieterin betreibt diese Filiale im Rahmen ihres weiträumigen Filialnetzes. Im Zusammenhang mit diesem tätigte sie auch Online-Verkäufe, und zwar auch während der Lockdowns. Die hier gegenständliche vermietete Geschäftsfläche sei daher – zumindest zum Teil – auch während der behördlich verordneten Sperre für den Kundenbetrieb dem Geschäftsbetrieb der Klägerin dienlich gewesen. Wie weit sie diese dafür einsetzte, oblag ihrer autonomen kaufmännischen Disposition. Jedenfalls aber nützte sie die Räumlichkeiten – wie festgestellt – auch teilweise für ihren Geschäftsbetrieb im Rahmen ihres Filialnetzes. Weiters sei zu bedenken, dass an Sonn- und Feiertagen das Geschäftslokal in jedem Fall geschlossen gewesen wäre und dass während des dritten Lockdowns zweiseitige unternehmensbezogene Geschäfte möglich gewesen wären. Unter Berücksichtigung aller Aspekte erachtete der OGH einen Restnutzen im Ausmaß eines Drittels des Gesamtnutzens der Geschäftsräumlichkeit für vertretbar.

 

Anbei finden Sie den Volltext der Entscheidung: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20220329_OGH0002_0040OB00218_21V0000_000/JJT_20220329_OGH0002_0040OB00218_21V0000_000.pdf

 


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