WIMT Newsletter 02/19


Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten - Beurteilungskriterien

Die Beurteilung, ob ein Gebäude nur über ein- oder zwei selbständige Wohn- oder Geschäftseinheiten verfügt, richtet sich nach dem objektiv baulichen Zustand im Zeitpunkt der Vermietung. Die Konzipierung des Gebäudes bei Errichtung ist nicht entscheidend. Eine unbrauchbare dritte Wohnung schadet dann nicht, wenn sie nicht nur vorübergehend (dh durch Sanierungsmaßnahmen behebbar), sondern endgültig unvermietbar ist.

 

Als selbständige Wohnung ist ein selbständiger und in sich baulich abgeschlossener Teil eines Gebäudes zu verstehen, der geeignet ist, der Befriedigung eines individuellen Wohnbedürfnisses von Menschen zu dienen (RIS-Justiz RS0069338). Die Annahme von Wohnräumen ist dabei nur dann gerechtfertigt, wenn diese aufgrund ihrer bautechnischen und rechtlichen Gegebenheiten für die Verwendung zur Unterkunft und Haushaltsführung geeignet sind (RIS-Justiz RS0069440). Die Beurteilung hat nach der Verkehrsauffassung zu erfolgen (RIS-Justiz RS0079853; 10 Ob 2/15i). Entscheidend ist dabei der tatsächliche Zustand im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags (RIS-Justiz RS0112564; 1 Ob 73/17t). In Bezug auf sämtliche in Betracht kommenden Mietobjekte (Wohnungen und Geschäftsräume) ist demnach die Zahl getrennt zugänglicher (abgeschlossener) Raumeinheiten ausschlaggebend, die selbständig vermietbar sind, wobei typische Nebenräume eines Hauses oder eines Bestandobjekts (zB Abstellräume, Kellerräume oder Garagen) nicht zu berücksichtigen sind (RIS-Justiz RS0069389), außer der Charakter als Nebenraum wurde durch tatsächliche Vermietung aufgehoben (1 Ob 73/17t).

 

Maßgebend ist der objektive bauliche Zustand im Zeitpunkt der Vermietung nach Maßgabe der Verkehrsauffassung. Die konkrete Beurteilung hängt dabei typisch von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0079853). Entgegen der Ansicht der klagenden Partei kommt es nicht auf die tatsächliche Benützung bzw Widmung durch den Vermieter an. Soweit von „tatsächlichem Zustand“ die Rede ist, ist nicht die tatsächliche Verwendung gemeint, sondern der objektive bauliche Zustand, also die objektive Verwendbarkeit nach den tatsächlichen baulichen Gegebenheiten. Die bauliche Abgeschlossenheit einer der Vermietung zugänglichen Raumeinheit richtet sich somit nach dem tatsächlichen baulichen Zustand (8 Ob 116/17t).

Da der objektive bauliche Zustand in der Regel mit der Baubewilligung übereinstimmt, wird in der Judikatur mitunter auf die Baubewilligung oder die rechtlichen Gegebenheiten verwiesen (vgl RIS-Justiz RS0069412; RS0069440). Die Bauunterlagen sind daher ein geeignetes (Beweis-)Mittel zur Feststellung des baulichen Zustands (8 Ob 116/17t).

 

Die Konzipierung des Gebäudes (Villa) bei Errichtung ist nicht entscheidend (10 Ob 27/09g). Eine unbrauchbare dritte Wohnung schadet dann nicht, wenn sie nicht nur vorübergehend (dh durch Sanierungsmaßnahmen behebbar), sondern endgültig unvermietbar ist (5 Ob 259/99w [verneint dies bei einer mit Bescheid für unbewohnbar erklärten Wohnung, deren Wiederverwendung für Wohnzwecke von der Beseitigung des konsenswidrigen Zustands und Feststellung der Benützungsfähigkeit abhängig gemacht wurde]; 6 Ob 327/00g = RIS-Justiz RS0069338 [T2]; RS0112565; vgl 5 Ob 55/17z [ob die Räume einer Sanierung bedürfen, ist unerheblich]).

 

Maßgebend ist daher nicht die ursprüngliche Konzeption der am Beginn des vorigen Jahrhunderts errichteten Villa, sondern der objektive bauliche Zustand, also die objektive Verwendbarkeit nach den tatsächlichen baulichen Gegebenheiten, die nicht mit dem Baukonsens übereinstimmen müssen. Wird das Erdgeschoß als Lagerfläche genützt, das erste Obergeschoss zu Wohnzwecken saniert und das zweite Obergeschoss als Wohnung genutzt und sind die Objekte getrennt über ein Stiegenhaus zugänglich, so liegen drei selbständige Raumeinheiten vor. Der Umstand, dass sie zB über eine zentrale Heizungsanlage wärmeversorgt werden, ändert daran nichts. Da es nicht auf die tatsächliche Benützung bzw Widmung durch den Vermieter ankommt, ändert der Umstand, dass die großzügige Wohnung im Erdgeschoss zu Lagerzwecken verwendet wurde, nichts an ihrer Qualifikation als selbständige Wohnung iSd § 1 Abs 2 Z 5 MRG. Sie wurde damit auch nicht zu einem typischen Nebenraum eines Hauses oder eines Bestandobjekts im Sinn eines Abstellraums, eines Kellerraums oder einer Garage, der unberücksichtigt bleiben müsste.

 

OGH 23.1.2019, 3 Ob 247/18x

 

https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20190123_OGH0002_0030OB00247_18X0000_000