Maklerhaftung bei unrichtiger Auskunft über eine Kaufverpflichtung
Erklärt ein Doppelmakler einem Kaufinteressenten das Haus kaufen zu müssen, obwohl das Kaufanbot des Kaufinteressenten zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen und er mit dem „Gegenangebot“ des Liegenschaftseigentümers inhaltlich nicht einverstanden war, so verletzt er dadurch den Auftragsvertrag.
Nach § 3 Abs 3 MaklerG sind Makler und Auftraggeber verpflichtet, einander die erforderlichen Nachrichten zu geben. Dies betrifft etwa auch die Nutzungsmöglichkeiten des Objekts (vgl RS0109995; RS0109996), das Bestehen oder Fehlen der erforderlichen Bau- und Benützungsbewilligungen oder allenfalls bestehende Unklarheiten (4 Ob 8/02h). Bei Verbrauchern sind diese Nachrichten gemäß § 30b Abs 2 KSchG schriftlich zu erteilen. Der Immobilienmakler hat den Auftraggeber jedenfalls über sämtliche Umstände zu unterrichten, die für die Beurteilung des zu vermittelnden Geschäfts wesentlich sind; der Immobilienmakler verletzt seine Pflichten nicht nur dann, wenn er den Auftraggeber nicht aufklärt, sondern auch dann, wenn seine Angaben nicht richtig oder aufgrund ihrer Unvollständigkeit missverständlich sind (RS0109995), oder wenn sie erheblich verspätet oder unverständlich geliefert werden. Auch wenn der Makler als Doppelmakler tätig wird, bleibt die Pflicht zur Erteilung aller grundsätzlichen Informationen unberührt (RS0123712). § 3 Abs 4 MaklerG bestimmt, dass bei Verletzung der in § 3 Abs 1 bis 3 MaklerG festgelegten Pflichten Schadenersatz verlangt werden kann. Für die Haftung genügt schon Fahrlässigkeit (RS0116638). Die Beurteilung der Pflichtverletzung ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der dem Makler erkennbaren Interessen des Auftraggebers vorzunehmen (RS0109995).
Im Fall der Doppeltätigkeit ist eine redliche und sorgfältige Interessenwahrung gegenüber beiden Auftraggebern gefordert, wobei sich der Makler auf einen neutralen Standpunkt zurückziehen muss. Gefordert ist eine strenge Unparteilichkeit („Äquidistanz“). Der Makler muss sich in eine neutrale Vermittlerstellung begeben, in der er die Interessen beider Vertragspartner bestmöglich und unparteiisch wahrzunehmen hat.
Erklärt ein Makler einem Kaufinteressenten das Haus kaufen zu müssen, obwohl das Kaufanbot des Kaufinteressenten zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen und er mit dem „Gegenangebot“ des Liegenschaftseigentümers inhaltlich nicht einverstanden war, so verletzt er durch diese unrichtige Information das ihn treffende Neutralitätsgebot und setzt den Kaufinteressenten unter Druck. Sein Vorgehen kann nur mit seinen Eigeninteressen an der Provision und dem Naheverhältnis zum Liegenschaftseigentümer erklärt werden. Er hat rechtswidrig gehandelt, weil er gegen das Interessenwahrungsgebot des § 3 Abs 1 MaklerG verstoßen hat, was gemäß § 3 Abs 4 MaklerG zur Schadenersatzpflicht des Maklers führt.
OGH 16.9.2020, 6 Ob 164/20s