WIMT Newsletter 04/20


Sind Erdgeschoßwohnungseigentümer von den Liftkosten ausgenommen?

 

Erdgeschoß Wohnungseigentümer sind von den Liftkosten ausgenommen, wenn sie weder ihre Wohnung, ein Kellerabteil, oder Gemeinschaftsräumlichkeiten mit dem Lift aufsuchen können.

 

§ 32 Abs 5 WEG 2002 ermöglicht einem Wohnungseigentümer, bei erheblich unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten eine rechtsgestaltende Neufestsetzung des Aufteilungsschlüssels durch gerichtliche Entscheidung zu erlangen. Die Abänderung des Aufteilungsschlüssels für die Kosten eines Aufzugs setzt voraus, dass die objektive Nutzungsmöglichkeit für einen Wohnungseigentümer erheblich hinter der Nutzungsmöglichkeit anderer Miteigentümer zurückbleibt (RIS-Justiz RS0083087). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die in § 32 Abs 1 WEG 2002 vorgesehene gesetzliche Aufteilung der Liegenschaftsaufwendungen nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile dann zu unbilligen Ergebnissen führt, wenn ein oder mehrere Wohnungseigentümer an den die Aufwendungen betreffenden Anlagen nicht oder nur in erheblich untergeordnetem Ausmaß teilhaben (5 Ob 48/12p; 5 Ob 129/14b).

 

Für die Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels kommt es allein auf die objektive Nutzungsmöglichkeit an (RS0083193; RS0083101). Ausgehend von diesen Grundsätzen ist zu prüfen, ob eine gänzliche Befreiung von den Liftkosten in Betracht kommt.

 

Wohnungseigentümer von im Erdgeschoß liegenden Objekten werden nach der Judikatur in der Regel um 4/5 von der Tragung der Liftkosten befreit, wenn sie den Aufzug im Wesentlichen nur zum Erreichen von Gemeinschaftsräumlichkeiten nutzen können (5 Ob 129/14b mwN; 5 Ob 42/18i). So wurde in der Vergangenheit eine Befreiung der Liftkosten um 4/5 angenommen, weil die betroffenen Wohnungseigentümer mit dem Lift – wenn auch mit bescheidenem Vorteil – zum Wasch- und Trockenraum und zu verschiedenen technischen Anlagen sowie zurück gelangen konnten. Ausdrücklich wurde dazu festgehalten, dass damit – abgesehen von der Liftnutzung durch Hausbesorger oder Reinigungsunternehmen, die im Interesse aller Wohnungseigentümer erfolgt – eine objektive Liftnutzungsmöglichkeit für die Eigentümer der Wohnungseigentumsobjekte nicht völlig ausgeschlossen ist. Aus anderen Entscheidungen geht der Grundsatz hervor, dass eine Reduzierung der anteilig mitzutragenden Liftkosten bei Wohnungseigentümern von Erdgeschoßwohnungen um 4/5 grundsätzlich angezeigt ist, wenn sie den Aufzug im Wesentlichen nur zum Erreichen von Gemeinschaftsräumlichkeiten im Keller nutzen können. 

 

Bestehen für einen Mit- und Wohnungseigentümer weder die Möglichkeit, den Lift zum Aufsuchen der eigenen Wohnung, des Kellerabteils, oder von Gemeinschaftsräumlichkeiten zu nutzen, so fehlt jede objektive Nutzungsmöglichkeit. In diesem Fall sind die Eigentümer der im Erdgeschoß gelegenen Wohnungen zur Gänze von den Kosten des Lifts auszunehmen. Allein der Umstand, dass die Reinigung des Stiegenhauses im Interesse aller Miteigentümer erfolgt und es im Zug dieser Arbeiten allenfalls auch zu einer Liftnutzung kommt, vermag eine Verpflichtung zur Kostentragung nicht zu rechtfertigen.

 

OGH 21.7.2020, 5 Ob 14/20z

 

https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20200721_OGH0002_0050OB00014_20Z0000_000