WIMT Newsletter 01/19


Anbau eines Liftturms – wesentliche Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses?

 

Der Anbau eines Liftturmes an der Straßenfassade stellt eine wesentliche Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses dar, wenn die Fassadengliederung (Baujahr 1937) – die unter Einbeziehung der das Stiegenhaus belichtenden Fenster bewusst regelmäßig erfolgte – durch den aus der Fassade deutlich herausragenden neuen Betonteil gebrochen würde.

 

Gemäß § 16 Abs 2 Z 1 WEG darf jegliche Änderung weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses und keine Gefahr für die Sicherheit von Personen des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben. Werden auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, so muss die Änderung entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen. Eine Abwägung der Interessen des die Änderung beabsichtigenden Wohnungseigentümers gegen die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer an der Unterlassung der Änderung ist aber nicht vorzunehmen (RIS-Justiz RS0083188). Der Umstand, dass die Antragsteller wegen der Inanspruchnahme allgemeiner Teile ein eigenes wichtiges Interesse an der geplanten Änderung darzulegen haben, bedeutet daher nicht, dass gegenläufige Interessen der Antragsgegner zumindest gleiches Gewicht haben müssten. Schon die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer allein steht vielmehr nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG der geplanten Änderung entgegen (RIS-Justiz RS0083240).

 

Die Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses ist ein spezifischer Fall der Interessensbeeinträchtigung (5 Ob 9/17k). Grundsätzlich steht einer Änderung nicht jede Beeinträchtigung von Interessen der Miteigentümer entgegen, sondern nur eine wesentliche Beeinträchtigung, die die Interessen der anderen Wohnungseigentümer am Unterbleiben der Änderung so schutzwürdig erscheinen lässt, dass ein Anspruch des Wohnungseigentümers auf Änderung zurückzustehen hat (RIS-Justiz RS0083236). Als Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses ist nicht jede (wertneutrale) Veränderung zu verstehen, sondern nur eine solche, die eine Verschlechterung des Erscheinungsbildes bewirkt (RIS-Justiz RS0043718). Die Judikatur berücksichtigt dabei etwa, ob die bisherige Gestaltung des Gebäudes einem bestimmten architektonischen Konzept folgt oder es sich um ein äußerlich einfallsloses Bauwerk handelt, und stellt für die Beurteilung der Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes primär auf die straßenseitige Ansicht der Liegenschaft ab (5 Ob 9/17k). Auch die Einheitlichkeit des äußeren Erscheinungsbildes per se kann einen schutzwürdigen Wert darstellen (Loggiaverbauung: LGZ Wien; Vergrößerung von Windfängen auf einer Dachterrasse: 5 Ob 36/90; Errichtung eines Balkonturms an der straßenabgewandten Hausfront 5 Ob 9/17k).

Der Anbau eines Liftturmes an der Straßenfassade stellt eine wesentlichen Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses dar, wenn die Fassadengliederung (Baujahr 1937) – die unter Einbeziehung der das Stiegenhaus belichtenden Fenster bewusst regelmäßig erfolgte – durch den aus der Fassade deutlich herausragenden neuen Betonteil gebrochen würde. Ein weiteres Argument war, dass sich die straßenseitige Hausfront dann deutlich von der des zur gleichen Zeit errichteten Nachbarhauses unterscheiden würde. Außerdem gab die ob der Liegenschaft einverleibte Cottage-Servitut eine bestimmte architektonische Gestaltung der Häuser in diesem Viertel ausdrücklich vor.

OGH 6.11.2018, 5 Ob 186/18s

 

 

https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20181106_OGH0002_0050OB00186_18S0000_000